Interview:(10/2001)
ärztemagazin
Die Rückenmuskulatur rekonditionieren
Fachartikel
Mit einem neuen Konzept will der Wiener Orthopäde Dr. Paul Köstler Patienten mit Rückenschmerzen rasch und effektiv helfen. Der „Wirbelsäulenstützpunkt“, kurz „WSP“, den Köstler vor kurzem in Wien eröffnet hat, ist der zweite seiner Art in Österreich – der erste befindet sich in Klagenfurt. Das ärztemagazin sprach aus Anlass der Eröffnung mit dem Orthopäden über Sinn und Zweck dieser Einrichtung.
ärztemagazin: Was ist der Wirbelsäulenstützpunkt, und was kann er?
Köstler: Wir behandeln chronische Wirbelsäulenlpatienten nach einem Trainingskonzept, das vor zehn Jahren vom deutschen Sportwissenschaftler Dr.Achim Denner entwickelt wurde. Es beruht auf Studien, in denen bewiesen wurde, dass mindestens 80% der chronischen Rückenschmerzpatienten eine dekonditionierte Rückenmuskulatur haben.
ärztemagazin: Was ist unter einer dekonditionierten Rückenmuskulatur zu verstehen?
Köstler: Die Dekonditionierung ist das Ergebnis chronischer Wirbelsäulenleiden und wird durch Kraft,- Balance,- Leistungsfähigkeits- und Koordinationsverlust der Rückenmuskulatur definiert. Schmerzbedingt, sowie durch Schon – und Fehlhaltung und unphysiologischen Bewegungsabläufen atrophiert die Muskulatur, Instabilität und dauerhafte Schäden an kleinen Wirbelgelenken und Bandscheiben sind die Folge. Der vorhandene Teufelskreis Schmerz – Fehlhaltung – Muskelatrophie – strukturelle Schäden – Schmerz schließt sich.
ärztemagazin: Die Therapie besteht also in einer Rekonditionierung?
Köstler: Richtig. Bei der Rekonditionierung kommt es auf zwei Faktoren an, einerseits auf die Kraft, andererseits aber auch auf die richtige Balance der Rückenmuskulatur. Bei vielen Patienten ist zwar die Kraft erhalten, aber z.B. zwischen der vorderen und der hinteren Nackenmuskulatur besteht eine enorme Dysbalance. Das macht Probleme.
ärztemagazin: Wie geht nun die Behandlung vor sich? Köstler: Eine ärztliche Untersuchung mit einem aktuellen Röntgenbild wird vorausgesetzt, um höhergradige Osteoporose, maligne Tumoren aber auch Herz-Kreislauferkrankungen oder Asthma auszuschließen. Bei der Analyse werden mit Hilfe von High Tech Geräten – auf denen der Patient übrigens auch später trainiert – genaue compterunterstützte Messungen der Beweglichkeit und Kraft des Rückens gemacht, ein muskuläres Profil – ich nenne es gern ein „EKG der Rückenmuskulatur“ . Jedes dieser Geräte misst und trainiert nur eine Muskelgruppe. Das entstandene Muskelkraftprofil wird nun in einer Referenzdatenbank, die Daten von 20.000 beschwerdefreien Personen enthält, mit Werten gleichaltriger, gleichschwerer Personen verglichen. Das Ergebnis ist ein spezifisches Profil des gesamten Patientenrückens mit allen Störungen schwarz auf weiss. Der nächste Schritt ist das Training, das entweder aus 10 oder aus 24 Trainingseinheiten (mit zwei einstündigen Einheiten pro Woche) besteht, je nach Dekonditionierungsgrad. Nach Abschluss dieses Trainings, das bis zu 80% Beschwerdelinderung und Reduktion des Medikamentenverbrauches bewirkt, genügt eine Erhaltungstrainingseinheit alle 7 bis 10 Tage.
ärztemagazin: Was kostet das Training und für wen kommt es in Frage?
Köstler: Die Analyse kostet 140.- €, eine Trainingseinheit 35.- €. Neben funktionellen Beschwerden können auch Patienten mit therapieresistenten Rückenschmerzen nach Bandscheibenoperationen, nach Unfällen oder Verplattungen der Wirbelsäule profitieren.
Interview
Dr. Norbert Hasenöhrl
Kontakt
Wirbelsäulenstützpunkt Wien Paniglg. 7, A-1040 Wien Tel.: (01) 503 26 66 www.wsp-wien.at