Ihr Gehirn hat keine Löschtaste
Rückenschmerzen, die länger als drei Monate bestehen haben im Körper keine echte biologische Funktion mehr. Sie sind chronisch. Dies liegt an chemischen und nervlichen Prozessen, die in akuten Situationen notwendig sind, um den Schmerz als Alarmsignal ans Gehirn zu leiten. Wird nach richtiger Diagnose eine Therapie eingeleitet, verschwindet der Schmerz wieder. Geschieht dies nicht, erlernen bestimmte Nervenzellen dieses Signal, wie ein Mensch eine Melodie erlernt, und senden es immer wieder Richtung Gehirn. Und dies, obwohl gar kein Grund mehr dazu besteht, der akute Reiz liegt ja schon Monate zurück. Diese so genannten Ganglienzellen haben das Gehirn überlistet und „funken“ ab nun falschen Daueralarm, der als Schmerz wahrgenommen wird, aber ohne dass es akuten Grund dafür gäbe.
Fast 50% der Rückenschmerzpatienten beeinträchtigt dieser Schmerz das gesamte Leben. Im Schnitt vergehen 1,7 Jahre bis die richtige Diagnose gestellt wird und dann werden 38% der Patienten inadäquat behandelt.
Die medizinische Forschung gibt mehreren Ursachen die Schuld. Im Vordergrund steht das „Schmerz-Vermeidungsverhalten“: ein akutes Geschehen schränkt die Bewegung ein. Aus Angst vor neuerlichem Schmerz vermeidet man diese und verliert damit rasch Muskeln und Alltagssicherheit. Das macht wiederum mehr Angst und noch unsicherer. Ein teuflischer Kreislauf beginnt, denn das Gehirn glaubt an die falschen Signale.
Hinzu gesellen sich oft psychische Probleme, wie Panikattacken, Depressionen, soziale oder berufliche Isolation oder einfach Stress.
Für die Therapie sind mehrere Bereiche wichtig:
neben klassischer physikalischer, ist meist auch antidepressive und begleitende psychologische Therapie notwendig. Damit der Körper aber die falschen Bewegungsmuster verlernt und Sicherheit im Alltag wiedererlangt, muss er seine Muskeln rekonditionieren und das Gehirn überzeugen, dass sein Muskel,- und Gelenksystem in Wahrheit funktioniert. Löschtaste gibt es keine, aber ein Gehirn kann rasch umlernen.
Bei dieser Therapieform spielt die wirbelsäulenstabilisierende Muskulatur eine Schlüsselrolle. Diese sollte stabilisiert, beweglicher gemacht und kraftmäßig trainiert werden.
Dazu bietet sich vor allem das medizinische Krafttraining, aber auch die Heilgymnastik an. Diese besonderen Formen der Muskelktherapie sollte ausschließlich mit persönlich begleitetenden TherapeuteInnen durchgeführt werden.